„Karte schlägt Bargeld“ ist nur die halbe Wahrheit

Dienstag, 30. Juli 2019

Neu-Isenburg

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Unmittelbar nachdem das EHI seine mit Spannung erwartete Studie über Kartenzahlungen im Einzelhandel veröffentlicht hatte, verkündeten Fachmedien und Pressestellen von Zahlungsdienstlern die aus ihrer Sicht wesentliche Neuigkeit: Erstmals hat die Zahlung per Karte das Bargeld überholt. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, wenn die Studie genauer gelesen wird.
Ohne Zweifel hat die vom EHI vorgelegte Studie „Kartengestützte Zahlungssysteme im Einzelhandel 2019“  Gewicht. Stammen die Zahlen doch aus dem Material von 435 Unternehmen (ca. 85.000 Betriebe) aus 35 Branchen mit einem relevanten Umsatz von 251,2 Mrd. Euro. Das sind ca. 58,4 % des Einzelhandelsumsatzes im engeren Sinne. Wenn ein Ergebnis repräsentativ ist, dann wohl dieses.

Bemerkenswert einseitige Interpretationen

Gerade weil diese Zahlen so viel Gewicht und Aussagekraft haben, ist der Umgang mit den Studienergebnissen in der Öffentlichkeit bemerkenswert. Fast erweckte es den Anschein, als hätten die Fachmedien nur darauf gewartet, das Ende des „altmodischen Bargelds“ zu begrüßen, das nur rückständige Händler akzeptieren, die sich der Akzeptanz von kartengestützten oder kontaktlosen Bezahlverfahren verschließen.
Denn bei genauerer Betrachtung verkündet die EHI-Untersuchung keineswegs das Ende des Bargelds. Ob beabsichtigt oder nicht, scheinen viele Analysten nicht über die Management Summary hinausgelangt zu sein. In der Zusammenfassung heißt es tatsächlich, dass die Kartenzahlungen erstmals Bargeld überholt haben.
209,2 Mrd. Euro hat der deutsche Einzelhandel  2018 per Karte umgesetzt. Das entspricht einem Anteil von 48,6 Prozent am Gesamtumsatz. In der Tat wurden somit erstmals, wenn auch knapp, die Barumsätze überholt. Diese erreichten 48,3 Prozent.
Dieser vermeintliche Siegeszug der Karte, der in absoluten Zahlen ja doch eher überschaubar scheint, verwundert wenig, werden die durchschnittlichen Transaktionsgrößen betrachtet. Die Kunden zeigen ein Verhalten, das wahrscheinlich jeder aus seinem Alltag kennt. Größere Summen werden per Karte bezahlt, kleinere mit Bargeld.

Bargeld ist am POS die Nummer 1

Die zweite wesentliche Erkenntnis der Studie, ist offenbar weniger tauglich für die Nachrichten. Denn der Anteil von Bargeldtransaktionen liegt bei 76,1 Prozent aller Transaktionen und ist gegenüber dem Vorjahr lediglich um 1,1 Prozent gesunken. Von 20 Mrd. Transaktionen entfielen somit 15,22 Mrd. auf Barverkäufe. Das wiederum sieht so überhaupt nicht nach einem Ende des Bargelds aus, schon gar nicht nach einem Durchmarsch von kartengestützten Verfahren und noch weniger nach einem Siegeszug mobiler Bezahlarten.

Bargeld entspricht den vier Säulen des EHI

Nach Ansicht des EHI basieren erfolgreiche Zahlungssystem auf vier Säulen, die ein Händler bei der Entscheidung für ein Verfahren individuell gewichten müsse. Diese vier Gesichtspunkte sind

  • Sicherheit/Datenschutz
  • niedrige Kosten
  • hohe Geschwindigkeit
  • Investitionsschutz/Zukunftsorientierung.

Bei genauerer Betrachtung schneidet das Bargeld in dieser Hinsicht gut ab. Bei den mit Barzahlungen verbundenen Kosten sind Optimierungen indes lange nicht erschöpft, denn moderne Systeme für das Cash Management und Recycling  bieten großes Einsparungspotenzial. Wie die Bundesbank in der Studie „Kosten der Bargeldzahlung im Einzelhandel“ jüngst ermittelt hat, schlägt Bares in Sachen Geschwindigkeit andere Verfahren deutlich.

Barzahlen bleibt

Die Studienautoren liefern selbst das beste Schlusswort: „Eine Diskreditierung von Scheinen und Münzen als Anachronismus oder gar eine Abschaffung von Bargeld mit der Brechstange ist realitätsfremd.“

Mit anderen Worten wird sich der Handel in absehbarer Zukunft um das Management von Bargeld  kümmern müssen.Denn die Deutschen hängen daran.

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