Werden Kryptowährungen das Bargeld verdrängen?

Dienstag, 1. September 2020

Neu-Isenburg

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Manche beschwören ein Erbeben in der Finanzwelt herauf, andere sehen ein zum Scheitern verurteiltes Projekt vor sich. Seit seiner Ankündigung vor über einem Jahr ist Facebooks geplante Kryptowährung Libra ein immer wieder aufbrandendes Thema in den Finanznachrichten. Während man vor ein paar Monaten noch vom reihenweisen Ausstieg diverser Großinvestoren und damit dem potenziell ersten Sargnagel für Mark Zuckerbergs geplante Digitalwährung las, wurde vor einigen Wochen nun doch bei der Schweizer Finanzaufsicht Finma eine Lizenz für das Projekt beantragt. Dass schon bald im großen Stil mit virtuellen Facebook-Münzen gezahlt wird, ist aktuell zwar noch seichte Zukunftsmusik. Spätestens seit dem plötzlichen Erfolg von Bitcoin drängen sich im Zusammenhang mit virtuellem Geld dennoch einige Zukunftsfragen auf: Welche Rolle können digitale Währungen im Handel spielen? Könnten sich Bitcoin, Libra und Co. tatsächlich zum alltagsgebräuchlichen Zahlungsmittel entwickeln? Und wie werden diese Neuland-Währungen reguliert, um den Währungsmarkt zu stabilisieren und Verbraucher zu schützen?

Für Bastler und Techniker

Natürlich wird nicht von heute auf morgen sämtliches Bargeld verschwinden und durch digitale Krypto-Pendants ersetzt werden – auch wenn Fans der virtuellen Währungen schon seit Jahren ebendies predigen. In ihrer derzeitigen Form sind Kryptowährungen wie Bitcoin, Ripple, Litecoin und Co. für alltägliche Zahlungen nämlich zunächst einmal recht ungeeignet. Statt jederzeit und überall verfügbar zu sein, ist Kryptogeld vor allem auf Informationssicherheit ausgelegt. Kryptozahlungen werden als reine Daten abgehandelt, die zu Blöcken gebündelt, anonymisiert überprüft, in der Blockchain festgehalten und schließlich an einen anderen Nutzer in digitaler Form überwiesen werden. Regulierende Instanzen wie Banken oder Währungshüter sucht man vergebens. Diese dezentrale Verwaltung dient vor allem dem Zweck, anonyme Zahlungen zu ermöglichen und die Währungen unabhängig von Instanzen wie Dollar oder Euro zu machen. Das führt allerdings nicht nur zu einer gewissen Einstiegshürde, sondern vor allem auch dazu, dass das virtuelle Geld enormen Kursschwankungen unterliegt. Seit dem Erfolgsjahr 2017, in dem der Bitcoin-Kurs von 1.000 auf über 20.000 Dollar anstieg, gleicht die Kurskurve einem unvorhersehbaren Wellendiagramm. Zuwächse und Verluste von mehreren Tausend Dollar innerhalb weniger Monate sind keine Seltenheit. Wer in Bitcoin und andere Kryptowährungen investiert, weiß nicht, ob sein Geld morgen noch genauso viel wert ist, wie heute. Für manche mag das den Reiz am Zocken ausmachen – für eine akzeptierte Alltagswährung stellen die massiven Kursschwankungen jedoch ein K.O.-Kriterium dar. Schließlich möchte kein Verbraucher, dass das Brot vom Bäcker heute 1,50 Euro, morgen 0,90 Euro und in einer Woche 2,30 Euro kostet – von Investoren, die jede noch so kleine Kursschwankung mit Adleraugen beobachten, ganz zu schweigen. Das Prinzip des Handels würde dadurch ad absurdum geführt werden, da Kostenkalkulationen oder Investitionen schlichtweg nicht mehr möglich wären.

Währungs-Wild-West

Die wilden Berg- und Talfahrten sind auch auf die praktisch noch nicht vorhandene Regulierung der Kryptogelder durch nationale Notenbanken oder Zentralbanken zurückzuführen. Auch wenn die maximale Anzahl an Kryptoeinheiten beschränkt ist (bei Bitcoin auf 21 Millionen), ist die Wertentwicklung alleine vom Kauf- und Verkaufsverhalten der Nutzer abhängig. In der Theorie öffnet dies wilden Marktmanipulationen und potenziell sogar Geldwäsche-Möglichkeiten Tür und Tor. Um diesen Störfaktoren von vornherein den Garaus zu machen, forderte der Digitalverband Bitkom daher kürzlich die europaweit bindende Regulierung von Kryptowährungen. Deutschland hat zum Jahresbeginn bereits einen Anfang gemacht: So brauchen Unternehmen, die mit ihren Geschäftsmodellen auf Kryptowährungen setzen, fortan eine Erlaubnis der BaFin. Auch die Notenbanken interessieren sich mittlerweile für Kryptowährungen. So beschäftigt sich die EZB bereits mit einem Krypto-Euro und auch Länder wie China spielen mit dem Gedanken an eine staatliche Digitalwährung. Allerdings sind vor allem in Europa die rechtlichen Grundlagen für solche Systeme noch längst nicht geklärt und selbst EZB-Direktor Yves Mersch sieht aktuell noch keine konkreten wirtschaftlichen Gründe für die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung. Eine Struktur für digitale Währungen auf staatlicher Ebene ist daher derzeit noch nicht greifbar.

Libra wird Bargeld nicht verdrängen

Und trotz all dieser Stolpersteine beharrt Facebook-CEO Mark Zuckerberg auf seinem ambitionierten Plan: Nach Markstart der Digitalwährung Libra sollen Verbraucher auf der ganzen Welt damit einkaufen können – sowohl online, als auch im Laden. Einzige Voraussetzung: ein Smartphone mit Internetzugang und nach Möglichkeit ein Facebook-Konto, das weltweit knapp 2,7 Milliarden Menschen besitzen. In der Theorie könnte Facebook mit diesen Verbreitungszahlen die Finanzmärkte der Welt bedeutend mitgestalten, da die Technik im Alltag auch deutlich zugänglicher als bisherige Kryptowährungen sein soll. Libra-Coins könnten durch digitale Geldbörsen jederzeit am Smartphone in echtes Geld umgetauscht werden, zudem soll es sich bei Libra im Gegensatz zu Bitcoin und Konsorten um eine Stablecoin handeln. Dadurch ist der Wert der virtuellen Münzen an den Kurs einer oder mehrerer Währungen gebunden – extreme Kursschwankungen sollen somit ausbleiben. Auch wenn somit eine gewisse Wertregulierung der Währung gegeben wäre, steuern Länder wie Deutschland und Frankreich bereits dagegen. Das Währungsmonopol dürfe nicht in die Hände einzelner Unternehmen gegeben werden, so unter anderem Finanzminister Olaf Scholz. Bis alle aufsichtsrechtlichen Fragen geklärt sind, wird es Facebook Libra mit einer weitreichenden Markteinführung voraussichtlich sehr schwer haben. Doch selbst bei einer Einführung dürfte sich die Digitalwährung ähnlich wie Paypal zunächst vor allem als Möglichkeit für technisierte Nutzer sehen, um private Transaktionen zwischen Freunden oder ins Ausland abzuhandeln. Da Bargeld nach wie vor den Status als beliebtestes Zahlungsmittel der Deutschen innehat, werden Digitalwährungen wie Facebook Libra den klassischen Scheinen und Münzen auf absehbare Zeit sicherlich nicht den Rang ablaufen. Einer friedlichen Koexistenz stünde potenziell jedoch nichts im Wege. Schließlich wird Bargeld auch bei weiterer Digitalisierung des Geldmarktes nach wie vor nachgefragt werden und in vielen alltäglichen Situationen ohne Internet und Smartphone weiterhin die bessere Wahl für Zahlungen sein.

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