Bargeld hat keine Lobby – ist das ein Problem?

Donnerstag, 19. September 2019

Neu-Isenburg

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Die Debatte für und gegen das Bargeld ist emotional. Sie ist aber auch eine Spielweise für Lobbyisten mit unterschiedlichsten Interessen. Bargeld dagegen hat offenbar keine Lobby. Kann daraus ein Problem für unsere Gesellschaft entstehen?
Es kommt auf die Nuancen an. Wenn ein Branchenmagazin einen Artikel mit der Überschrift aufmacht, dass die “Liebe zum Bargeld endlich” nachlasse, klingt das, als stünden ewig Gestrige der Zukunft im Wege.
Die mediale Beeinflussung ist bei einer solchen Schlagzeile zumindest klar erkennbar. Dem ist nicht immer so.

Bargeldlos in Schweden: Utopia oder Alptraum?

Mit der Karte beim Bäcker zahlen, Parkuhren, die keine Münzen mehr akzeptieren, das Päckchen Kaugummi per Kreditkarte am Kiosk bezahlt: Unzählige Blogbeiträge im Internet verkünden von einer in Schweden offenbar real gewordenen bargeldlosen Gesellschaft.
Schweden ist bei der Akzeptanz und Nutzung elektronischer Bezahlverfahren augenscheinlich weiter als Deutschland. Man muss kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um dahinter politische Absicht zu erkennen.
Und dahinter stehen naturgemäß stets auch Interessensgruppen. Zahlungsdienstleister und Kreditkartenunternehmen freuen sich natürlich darüber, wenn Zahl und Volumina ihrer Bezahlverfahren sich erhöhen. Schließlich sind sie daran prozentual beteiligt. Einmal in Gang gesetzt, wird es für alle schwerer, die sich um die Ver- und Entsorgung von Bargeld kümmern.

So sind die Sicherheitsanforderungen für den Bargeldtransport in Schweden inzwischen so hoch, dass es Werttransportunternehmen (WTU) schwer haben, noch wirtschaftlich arbeiten zu können.

Banken lieben das Bargeld nicht (mehr)

Auf dem Podium des diesjährigen GLORY INNOVATION FORUMs gab einige Stimmen, die von einem bargeldfeindlichen Umfeld bei Banken und im Handel sprachen.

Dass die Bankenwelt das Bargeld nicht mehr schätzt, erleben schon Kinder, die versuchen, ihren Münzschatz bei einem Kreditinstitut einzuzahlen. Gezählt wird es, wenn das Geld in Klarsichtbeuteln angeliefert wird. Und der Einzahler mit einem prozentualen Abzug leben kann.

Bargeldfeindlich ist es auch, wenn die Anforderungen für die Bearbeitung von Ein- und Auszahlung von Bargeld (Cash Back) im Handel durch die Bundesbank so hoch ausgelegt werden, dass sie das Niveau eines Geldautomaten erreichen müssen. Parallel dazu die Banken, die ihre Geldautomaten aus Kostengründen aber immer weiter abbauen.

In Deutschland ist die Ablehnung für die am Bargeldkreislauf beteiligten Unternehmen bislang nur spürbar. Die “Bank of Canada” geht mit ihrer Ablehnung da einen Schritt weiter. Sie hat ein Thesenpapier veröffentlicht, dass den Titel “Is a Cashless Society Problematic?” trägt.
Eine klare Positionierung, die alle Einwände, die für eine Bargeldnutzung sprechen, mit leichter Hand beiseite wischt.

Was Abschaffung des Bargelds mit E-Scootern zu tun hat

In deutschen Großstädten gehören die elektrisch betriebenen Varianten des Tretrollers (E-Scooters) derzeit immer häufiger zum Stadtbild. Sie gelten als Sinnbild einer Mobilitätswende, sie sind einfach, bequem und modern. So wie das (kontaktlose) mobile Bezahlen.

E-Scooter dürfen bei Fahrtende einfach abgestellt werden. Und nicht jeder Nutzer kümmert sich auch um das ordnungsgemäße Abstellen. Sehbehinderte und Blinde rechnen dagegen nicht mit herumliegenden Scootern als Hindernis. Und Eltern haben genug damit zu tun, ihren Kindern klarzumachen, dass sie jetzt auf einen weiteren Verkehrsteilnehmer achten müssen. Daran gedacht hat bei der Einführung von E-Scootern wohl niemand.

Ähnlich sieht es bei der bargeldlosen Gesellschaft aus. Es geht um die finanzielle Teilhabe von älteren Menschen, denen der Umgang mit neuen Technologien schwerfällt. Es geht um Kinder, denen sich das Konzept vom Wert des Geldes am ehesten durch Bargeld vermitteln lässt. Und es geht darum, dass Bargeld das einzige Zahlungsmittel ist, das die Privatsphäre des Einzelnen schützt.

Der Vorteil von Bargeld ist und bleibt, dass es jeder nutzen kann und jeder versteht.
Und da sind dann noch die Schwachen in einer Gesellschaft, über die niemand gern spricht, die sprichwörtlich auf der Straße sitzen und von der Hand in den Mund leben.

Auch sollte nicht vergessen werden, dass für bargeldlose Bezahlverfahren die Vernetzung über das Internet immer notwendig ist. Ob beim Bezahlen per Smartphone oder mit Karte: Am Ende muss die Transaktion auf einem Server landen. So lang es in Deutschland noch Regionen gibt, in denen Internetverbindungen in der maximalen Geschwindigkeit von 1 Mbit/Sekunde das Höchstmaß der Gefühle sind, sollte die Abschaffung des Bargelds nicht vorn auf der (politischen) Agenda stehen.

Es sind u.a. diese Gründe, die auch in Schweden immer mehr Stimmen laut werden lassen, die sich gegen die Abschaffung des Bargelds aussprechen, wie etwa die “Pensionärernas Riksorganisation”.

Vielleicht wird es in Deutschland Zeit, auch eine Lobby für das Bargeld zu gründen?

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