Fünf aktuelle Trends für Banken

Montag, 15. August 2022

Neu-Isenburg

Gastbeitrag von Dr. Hansjörg Leichsenring

https://www.der-bank-blog.de

Mehrfachbelichtung einer Grafik, einer Aktienanzeige und einer Reihe von Münzen für ein Finanz- und Bankkonzept

Banken und Sparkassen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Niedrige Zinsen, zunehmender Wettbewerb, steigende Kosten und eine geringere Kundenloyalität machen es erforderlich, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und nach neuen Ertragsquellen Ausschau zu halten.

Fünf Trends stehen aktuell ganz oben im Fokus der Institute:
1.    Embedded Finance,
2.    Nachhaltigkeit,
3.    Bancassurance,
4.    Blockchain/NFT/Metaverse,
5.    Kundenzentrierung.

Embedded Finance: Banking mit Dritten

Mit „Embedded Finance“ bezeichnet man die Integration von Finanzdienstleistungen in die Produkte und Prozesse von Nichtbanken. Eine Studie prognostiziert ein weltweites Marktvolumen von 7 Mrd. US$ bis 2032. Vor allem die Kreditvergabe im Online-Handel, Kreditvermittlungen am Point-of-Sale und „Buy Now Pay Later“-Angebote tragen zu dem starken Wachstum bei. Dabei beschränkt sich Embedded Finance nicht allein auf Konten und Zahlungsverkehr – auch Kredite, Versicherungen und Geldanlagen können Drittanbieter genau dort in ihr Angebot einbinden, wo sie benötigt werden.

Embedded Finance hebt Open Banking auf die nächste Ebene und bietet Vorteile für alle Beteiligten:
•    Kreditinstitute können damit einen zusätzlichen Vermarktungskanal erschließen,
•    Händler schaffen zusätzliche Kaufanreize für ihre Produkte und
•    Kunden erhalten einfache und günstige Bezahlmöglichkeiten.

Damit Banken es Drittparteien ermöglich können, ihre Finanzprodukte und  dienstleistungen nahtlos in das eigene Angebot einzubinden, müssen allerdings entsprechende technische Schnittstellen (APIs) vorhanden sein.

Nachhaltigkeit: Chancen und Risiken

Spätestens seit die Europäische Union ihre Sustainable-Finance-Strategie verabschiedet hat, ist klar geworden, dass man um den Einbezug von ESG in die eigene Geschäftsstrategie nicht vorbeikommt. Umwelt-, soziale und Unternehmensführungsaspekte müssen zukünftig in Investitionsentscheidungen in der europäischen Wirtschaft einbezogen werden. Für 79 Prozent der in einer anderen Studie befragten Bankmanager aus Deutschland ist gesellschaftliche Verantwortung ein Top-Thema, das auf die strategische Shortlist gehört.
Immer mehr Kunden erwarten, dass Unternehmen Nachhaltigkeitsaspekten die notwendige Beachtung schenken und einen aktiven eigenen Beitrag zum Klimawandel leisten. Und auch das Interesse an ESG-konformen Möglichkeiten der Geldanlage nimmt zu. Einer Studie zufolge erklärten elf Prozent der Befragten, dass sie für Nachhaltigkeit sogar – und in jedem Falle – mehr bezahlen oder aber auf Rendite verzichten würden. 38 Prozent würden dies „unter bestimmten Umständen“ tun.
Nachhaltigkeit bietet Finanzinstituten damit zahlreiche Chancen durch ESG-konforme Produkte und Dienstleistungen. Andererseits sind zusätzlicher Aufwand und Risiken zu erwarten. Banken müssen nicht nur an der eigenen CO2-Neutralität arbeiten, sondern auch die Bestrebungen ihrer Kunden als Kriterium der Kreditvergabe mit berücksichtigen.

Bancassurance: Alter Wein in neuen Schläuchen?

Bancassurance soll das Angebot von Versicherungsleistungen durch Banken ermöglichen und diesen zusätzliche Erträge bescheren. Die zugrundliegende Idee war logisch und intuitiv: Einem Kunden, der sich auf der Suche nach einem bestimmten Produkt begibt, z. B. einer Baufinanzierung, werden zusätzlich ein oder mehrere Versicherungsprodukte angeboten, die gut in den Kontext passen und damit eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit aufweisen.
Was früher unter dem Begriff „Allfinanz“ nicht wirklich gut funktioniert hat, soll heute, im Zeitalter der Digitalisierung, besser klappen. Die Verknüpfung von Bank- und Versicherungsprodukten soll jetzt nicht mehr durch den Bankberater sondern digital erfolgen. Umfassende Datenanalysen kombiniert mit Künstlicher Intelligenz sollen helfen, die Brücke zwischen Bank und Versicherung zu schlagen.
Zwar wünschen sich Kunden Finanzlösungen aus einer Hand, doch Studien zeigen, dass die Kunden den Banken nur geringe Kompetenz in Versicherungsfragen zutrauen. Immerhin könnte sich etwa jeder Dritte einen Versicherungsabschluss über eine Bank oder Sparkasse vorstellen – vor allem Bankvertriebskunden und Direktkunden stehen dem offen gegenüber.
Vor allem hybride Vertriebsmodellen, die nicht der Ausschließlichkeit unterliegen, gelten als zukunftsfähig. Letztlich kommt bei Bancassurance – ebenso wie bei Embedded Finance – dem Plattformgedanken eine tragende Bedeutung zu.

Blockchain als Basis für Metaverse und NFTs

2021 war das Jahr mit den bislang höchsten Investitionen in Blockchain-Technologien. Wichtige Katalysatoren hierfür waren die Diskussionen um Non Fungible Tokens (NFT) und die durch Facebook maßgeblich angestoßene Diskussion um Kryptowährungen und das sogenannte Metaverse.
Das Metaverse soll eine digitale Parallelwelt werden. Dabei gibt es nicht „das eine Metaversum“. Nahezu alle Internetgiganten sind dabei, derartige Metaversen zu entwickeln. Diese digitalen Ökonomien sind ohne NFTs und Blockchain-basierten Infrastrukturen schwer vorstellbar. Und die ersten Banken haben bereits begonnen, eigene virtuelle Angebote zu kreieren.
Zudem werden bereits heute digitale Tokens für die Geldanlage erschlossen. Sie ermöglichen

  • Unternehmen die Erschließung neuer Geschäftsmodelle – etwa nach einem Pay-per-Use-Modell an die tatsächliche Nutzung der finanzierten Güter gekoppelt.
  • Investoren eine Vielzahl an neuen Investmentmöglichkeiten in zuvor kaum fungible Vermögenswerten. Das kann insbesondere mit Blick auf eine wirksame Portfoliodiversifikation interessant sein – man denke an tokenisierte Anteile an Kunst, Immobilien oder industriellen Investitionsgütern.

Kundenzentrierung als Basis

Bleibt noch der letzte Trend, die Kundenzentrierung. Darunter ist die komplette Ausrichtung einer Bank an den Zielen und Wünschen der Kunden zu verstehen. Komplett bedeutet organisatorisch und kulturell. Der Kunde mit seinem Bedarf soll, so die Devise, tatsächlich im Mittelpunkt aller Handlungen stehen.
Dass dies kein Selbstgänger ist, zeigen die Ergebnisse einer Befragung, wonach sich zwar 67 Prozent der Banken selbst als kundenzentriert einschätzen, aus Kundensicht jedoch lediglich 42 Prozent der Institute ihren Erwartungen tatsächlich entsprechen. Es besteht mithin eine bemerkenswert große Lücke zwischen den Erwartungen der Kunden und den Leistungen der Geldhäuser.
Um eine kundenorientierte Strategie und ein entsprechendes Geschäftsmodell erfolgreich umzusetzen, ist eine Kultur erforderlich, die mit der ihrer Kunden übereinstimmt. Das bedingt Führungskräfte, die bewusst die notwendige Denkweise und Werte vorleben und bei ihren Mitarbeitern fördern und pflegen. Und zwar durchgängig in allen Bereichen und nicht nur im Vertrieb.


Autor:
Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.